Mascagnis “Cavalleria Rusticana”, uraufgeführt 1890, entführt uns in die sonnendurchflutete sizilianische Provinz des späten 19. Jahrhunderts, wo wir Zeuge einer Geschichte werden, die von wilder Leidenschaft, schmerzhafter Eifersucht und letztlich tragischem Schicksal geprägt ist. Diese einaktige Oper, komponiert von Pietro Mascagni, besticht durch ihren melodischen Reichtum, der italienische Volksmusiktraditionen mit dem dramatischen Schwung des Verismo verbindet.
Die Entstehung eines Meisterwerks: Von Bescheidenheit zur triumphalen Premiere
Pietro Mascagni, ein junger Komponist aus Livorno, stand zu Beginn seiner Karriere noch im Schatten renommierterer Kollegen wie Verdi und Puccini. Seine Oper “Cavalleria Rusticana” war eigentlich nur eine unter vielen Einsendungen für einen Wettbewerb des Verlags Sonzogno. Mascagni hatte sich bewusst für eine bescheidene Besetzung entschieden - ein kleines Orchester und keine opulenten Chöre - um die Geschichte, die er erzählen wollte, in ihrer Intimität und Direktheit zu bewahren.
Er griff auf den Stoff der Kurzgeschichte “Cavalleria Rusticana” von Giovanni Verga zurück, einer schlichten Erzählung über Liebe, Eifersucht und Rache im sizilianischen Milieu. Mascagnis Musik erwies sich als genialisch passend für diese Geschichte. Die Arien sind emotional durchdrungen, die Melodien unvergesslich und die Orchestration kleinteilig aber wirkungsvoll.
Die Uraufführung am 17. Mai 1890 im Teatro Costanzi in Rom war ein überwältigender Erfolg. Mascagni hatte den Wettbewerb gewonnen und “Cavalleria Rusticana” wurde zu einem der beliebtesten Werke des italienischen Opernrepertoires.
Die Figuren: Emotionen auf Messerklinge
Die Handlung dreht sich um die unglückliche Liebe zwischen Santuzza, einer jungen Bauerntochter, und Turiddu, einem gut aussehenden Jüngling, der gerade aus dem Militärdienst zurückgekehrt ist.
Santuzza liebt Turiddu leidenschaftlich, doch er ist mit Lola, einer anderen jungen Frau aus dem Dorf, verlobt. Als Santuzza von der Beziehung zwischen Turiddu und Lola erfährt, bricht in ihr ein Strudel der Eifersucht und Verzweiflung los. Sie sucht Turiddu auf und fleht ihn an, zu ihr zurückzukehren. Doch Turiddu ist unentschlossen.
Die Situation spitzt sich zu, als Turiddu Lola öffentlich mit einem anderen Mann tanzen sieht. In seiner Wut tötet Turiddu den Rivalen, Alfio. Santuzza versucht vergeblich, Turiddu vor der Rache Alfius zu schützen. Am Ende wird Turiddu von Alfio erschossen, Santuzza bleibt allein zurück in tiefer Trauer.
Besetzung und Musik:
Rolle | Stimmlage | Beschreibung |
---|---|---|
Santuzza | Sopran | Jünges Mädchen, tief verliebt |
Turiddu | Tenor | Liebender Jüngling, unentschlossen |
Lola | Sopran | Verlobte von Turiddu |
Alfio | Bariton | Rachegieriger Mann, Ehemann Loas |
Die Musik “Cavalleria Rusticana"s:
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“Voi lo sapete” (Santuzza): Santuzzas berühmte Klage ist ein Meisterwerk der musikalischen Dramatik. Die Melodie ist voller Schmerz und Sehnsucht und steigert sich zu einem leidenschaftlichen Höhepunkt.
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“Turiddu, amore mio!” (Santuzza): Eine weitere eindrucksvolle Arie, in der Santuzza ihre Liebe zu Turiddu bekundet und ihn fleht, zu ihr zurückzukehren.
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“Inneffabile mistero” (Turiddu): Eine lyrische Arie, die die Zerrissenheit Turiddu’s zwischen seiner Liebe zu Santuzza und seinem Versprechen an Lola widerspiegelt.
Verismo in Reinform: “Cavalleria Rusticana” als Spiegel der Gesellschaft
“Cavalleria Rusticana” ist ein Paradebeispiel für den Verismus, eine Strömung im italienischen Musiktheater des späten 19. Jahrhunderts, die sich durch ihren Realismus und ihre Darstellung alltäglicher Emotionen auszeichnete.
Im Gegensatz zu den historisch-mythologischen Themen der Opern der Romantik griff der Verismo auf zeitgenössische Geschichten zurück, oft mit einem Fokus auf die unteren Gesellschaftsschichten. “Cavalleria Rusticana” zeigt die Lebenswelt eines sizilianischen Dorfes in all ihren Facetten:
- Die Liebe: Leidenschaftlich und ungezähmt, jedoch oft von Eifersucht und Rache überschattet.
- Die Moral: Doppelte Standards und soziale Ungleichheit prägen das Bild der Gesellschaft.
- Der Tod: Eine ständige Bedrohung, die im Finale des Stücks seinen tragischen Höhepunkt findet.
Durch die kraftvollen Arien, den dramatischen Chor und die eindringliche Orchestration schafft Mascagni eine musikalische Welt, in der die Emotionen der Figuren greifbar werden. “Cavalleria Rusticana” ist nicht nur ein musikalischer Genuss, sondern auch ein wichtiges Zeugnis für die gesellschaftlichen Entwicklungen seiner Zeit.